Gibt es ein neues «Wundermittel» gegen HIV?
Die jüngste Welt-Aids-Konferenz in München hat ein «Wundermittel» für HIV, genannt Lenacapavir, auf die Bühne gebracht.
Das neue pharmazeutische Produkt Lenacapavir könnte die Rate an HIV-Neuinfektionen massgeblich senken, wie die «FAZ» berichtet.
Überzeugende Studienergebnisse
Es war auf der jüngsten Welt-Aids-Konferenz in München, wo das neue antiretrovirale Medikament Lenacapavir in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte. Linda-Gail Bekker, die Leiterin des Desmond-Tutu-HIV-Zentrums in Kapstadt und ehemalige Präsidentin der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS), stellte auf der Konferenz überzeugende Studienergebnisse vor.
Diese lösten eine Welle von Applaus aus und weckten Hoffnung in der medizinischen Gemeinschaft, die nach effektiven Lösungen im Kampf gegen HIV dürstet. Lenacapavir, auch als LEN bekannt, ist seit 2022 zugelassen und etabliert sich langsam als effektive Option zur Behandlung dieser tödlichen Krankheit.
In der Vergangenheit wurde das Medikament vor allem als virostatisches Medikament (Handelsname Sulenca) in Kombination mit anderen antiretroviralen Medikamenten zur Behandlung multiresistenter HIV-Infektionen eingesetzt, so die «FAZ».
Lenacapavirs Rolle bei der HIV-Prävention
Interessanterweise hat das Team um Linda-Gail Bekker in Südafrika und Uganda herausgefunden, dass Lenacapavir nicht nur eine wirksame Behandlung ist, sondern auch robuste Präexpositionsprophylaxe (PrEP) gegen HIV bieten kann. Dies widerspricht dem gängigen Ansatz, bei dem eine Tablettenform, täglich eingenommen, als PrEP verwendet wird.
Lenacapavir wird stattdessen in Form einer Spritze verabreicht, die nur zweimal jährlich erforderlich ist. Dieses revolutionäre Präventivmassnahme-Protokoll könnte einen dramatischen Einfluss auf die HIV-Infektionsraten weltweit haben, die derzeit bei 1,3 Millionen Neuinfektionen pro Jahr liegen.
100-prozentiger Schutz bei Spritz-Behandlung
Die bemerkenswerten Ergebnisse wurden im Rahmen der sogenannten Purpose-1-Studie erzielt, an der über 5330 junge Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren in Südafrika und Uganda teilnahmen.
Ein Teil der Frauen erhielt Lenacapavir halbjährlich, während andere täglich eine Tablette mit den Wirkstoffen Emtricitabin und Tenofovir-Alafenamid (TAF) oder Emtricitabin plus Tenofovir-Disoproxylfumarat (TDF) einnahmen.
Zu den erstaunlich positiven Ergebnissen gehörte, dass Lenacapavir einen hundertprozentigen Schutz bot. Bei keiner der 2134 Frauen, die die Spritze erhielten, trat eine HIV-Infektion auf. Bei jenen Frauen, die TAF oder TDF einnahmen, wurden 39 beziehungsweise 16 HIV-Infektionen diagnostiziert.
Die Vorteile von Lenacapavir gegen HIV
Neben der beeindruckenden Effektivität von Lenacapavir als PrEP hat die Spritze auch andere entscheidende Vorteile.
Sie kann unauffällig verabreicht werden, ein wesentlicher Aspekt in Regionen, in denen bestimmte Personengruppen, die sich oft mit HIV infizieren, noch immer stigmatisiert, diskriminiert und sogar kriminalisiert werden.
Lenacapavir bietet somit nicht nur medizinischen Schutz, sondern kann auch das Stigma und die Diskriminierung von Personen, die besonders HIV-gefährdet sind, verringern.
Depot unter der Haut
Wie Linda-Gail Bekker gegenüber der «FAZ» erklärte, wird das Medikament unter die Haut gespritzt und verbleibt dort sechs Monate als Depot.
Und obwohl einige Nebenwirkungen, wie Schmerzen an der Einstichstelle oder leichte Kopfschmerzen, festgestellt wurden, waren diese eher selten.
Der Prozess hört hier jedoch nicht auf. In der Tat schreitet die Forschung bereits voran. Eine zweite Studie, Purpose 2, ist bereits im Gange.
Männer in Südamerika durchlaufen gerade die Studie 2
Diese konzentriert sich auf die Präventivwirkung von Lenacapavir bei rektalen Infektionen und umfasst unter anderen Männer, die Sex mit Männern haben, in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Mexiko, Peru, Südafrika und den USA.
Nach den Erkenntnissen und Resultaten aus Purpose 2 will die kalifornische Firma Gilead eine Zulassung für LEN als PrEP beantragen. Sollten die Ergebnisse positiv ausfallen, könnte Lenacapavir bereits in wenigen Jahren, möglicherweise bis Ende 2025 oder Anfang 2026, im Nachbarland Deutschland zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus beabsichtigt Gilead, wie auf der Münchener Konferenz versprochen, das Medikament auch in den globalen Süden zu bringen. Durch Wissenstransfer sollen rasch Generika zur Verfügung gestellt werden, um auch diesen Regionen Zugang zu diesem potenziellen HIV-Wundermittel zu verschaffen.
Mögliche Auswirkungen von Lenacapavir auf die globale HIV-Landschaft
Die Einführung von Lenacapavir könnte einen wichtigen Paradigmenwechsel in der weltweiten Bekämpfung von HIV darstellen. Mit seiner nachweislichen Wirksamkeit und dem Vorteil einer halbjährlichen Verabreichung bietet dieses Medikament eine bisher unbekannte praktikable Lösung zur Prävention.
Sollte die Zulassung wie erwartet erteilt werden, könnte Lenacapavir die Hoffnung auf eine Welt ohne neue HIV-Infektionen wahr werden lassen.