«Glass Child»: Unsichtbar durch die Krankheit des Geschwisterkinds

Kiran Iqbal
Kiran Iqbal

Am 10.02.2025 - 06:52

Ein krankes Geschwisterkind verändert die Familiendynamik. Gesunde Kinder fühlen sich dabei oft unsichtbar. Sie entwickeln sich manchmal zum «Glass Child».

Nachdenkliches Mädchen sitzt zu Hause auf dem Boden
Geschwisterkinder fühlen sich manchmal vernachlässigt. - Depositphotos

Wir alle wissen, dass das Leben mit Geschwistern kompliziert sein kann. Vor allem dann, wenn ein Bruder oder eine Schwester spezielle medizinische Bedürfnisse hat, hinterlässt das Spuren in der Familiendynamik.

In solchen Situationen entwickelt sich bei manchen Kindern das sogenannte «Glass Child»-Syndrom. Dabei handelt es sich nicht um eine medizinische Diagnose.

Vielmehr geht es um die Beschreibung einer Dynamik, in der das gesunde Geschwisterkind übersehen wird. Eben so, als wäre dieses Kind aus Glas.

Das Dasein eines «Glaskinds»

Die Auswirkungen dieser Dynamik sind manchmal schwer zu erkennen. Kinder, die als Glaskind aufwachsen, zeigen häufig ein Verhalten, das für ihr Alter ungewöhnlich reif ist.

Schwester gibt krankem Bruder Medizin
Kinder, die einen kranken Bruder oder eine kranke Schwester haben, übernehmen oft viel Verantwortung. - Depositphotos

Sie übernehmen Verantwortung, die eigentlich Erwachsenen zukommen sollte – sei es bei Arztbesuchen, wo sie als Übersetzer agieren, oder bei zusätzlichen Haushaltsaufgaben. Oft streben sie nach Perfektion und versuchen, allen Anforderungen gerecht zu werden.

Nach aussen hin wirken sie selbstständig und belastbar. Doch auch sie sehnen sich, wie jedes Kind, nach elterlicher Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Folgen, die jetzt drohen

Wenn diese Familiendynamik über einen längeren Zeitraum anhält, kann sie tiefgreifende Folgen haben. Typische Probleme sind Angstzustände, Depressionen oder andere emotionale Belastungen.

Diese können sich in Symptomen wie Schlafstörungen, Appetitveränderungen oder auch schulischen Leistungseinbrüchen äussern. Das «Glass Child»-Syndrom selbst ist zwar keine psychische Erkrankung, kann jedoch die Anfälligkeit für solche Probleme erhöhen.

Wie stark Kinder davon betroffen sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa dem Schweregrad der Gesundheitsprobleme des erkrankten Geschwisterkindes, dem Alter der Kinder oder auch den kulturellen Erwartungen innerhalb der Familie.

Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Für Eltern ist es wichtig zu verstehen, dass das Gefühl des «Übersehenwerdens» beim Geschwisterkind nicht absichtlich entsteht. Es ist eine ungewollte Folge der besonderen Familiensituation.

Die Betreuung eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen erfordert viel Energie und Aufmerksamkeit. Dennoch gibt es Möglichkeiten, auch dem gesunden Kind die Unterstützung zu geben, die es benötigt.

Mutter mit Tochter im Bett
Auch gesunde Kinder sehnen sich nach elterlicher Zuwendung. - Depositphotos

Eltern können damit beginnen, eine offene und ehrliche Kommunikation innerhalb der Familie zu fördern. Es hilft, dem gesunden Geschwisterkind bewusst Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, um ihm zu zeigen, dass seine Bedürfnisse ebenso wichtig sind.

Was Sie ausserdem wissen sollten

Das Einbinden externer Unterstützung, wie Familienberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen, kann ebenfalls hilfreich sein. Es geht darum, das Beste zu geben und jedem Kind das Gefühl zu vermitteln, gesehen und geliebt zu werden.

Übrigens: Trotz der Herausforderungen, die mit dem Leben als Glaskind einhergehen, entwickeln viele dieser Kinder bemerkenswerte Eigenschaften. Sie wachsen zu einfühlsamen, resilienten und verantwortungsbewussten Erwachsenen heran.

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