Amyotrophe Lateralsklerose: Dem Gift auf der Spur
Ein Forschungsfund des Penn State College of Medicine könnte das Verständnis der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) neu definieren: ein giftiges Protein.
Und was geht es konkret? Die Wissenschaftler des Penn State of Medicine haben festgestellt, dass die toxische Variante eines Proteins sich negativ auf Gehirn-, Rückenmark- und Skelettmuskelgewebe auswirken kann.
Damit könnte das Protein mitverantwortlich für die Entwicklung der komplexen Krankheit ALS zeichnen.
Trimer: Hier wird das Protein gefährlich
Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie ALS neigen bestimmte Proteine dazu, sich in gefährlichen Clustern anzuhäufen. Eines dieser Proteine ist das Superoxid-Dismutase 1 (kurz: SOD1) – gefährlich insbesondere in ihrer einer trimären Form.
Denn: Unter bestimmten Bedingungen mutiert dieses Protein SOD1. Eigentlich ein Protein aus zwei identischen Einheiten, setzt es sich dann zu einer Form aus drei Einheiten zusammen, dem sogenannten Trimer.
Wie diese SOD1-Trimer dann Zellen abtöten und welche Mechanismen dabei beteiligt sind: Das zu verstehen ist zentral mit Blick auf ALS und mögliche Behandlungsformen.
Gewusst, wie
ALS ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die Nervenzellen, sogenannte Neuronen, im Zentralnervensystem betrifft und zu Muskelschwäche und Muskelatrophie führt.
Bei etwa 20 Prozent aller von ALS betroffenen Menschen (mit bekannter genetischer Ursache) wurden nun Mutationen von SOD1 festgestellt; auch bei den Fällen ohne bekannten genetischen Zusammenhang konnten solche mutierten SOD1-Proteine nachgewiesen werden.
Dass SOD1-Trimeren eine toxische Funktion haben, hatten bereits frühere Untersuchungen nachgewiesen. Das «Wie» war bislang allerdings nicht bekannt.
Den Verbindungen auf die Spur kommen
Um hier weiterzukommen und die Rolle der SOD1-Trimer bei Zellfunktionsstörungen und Degeneration besser zu verstehen, nahmen sich die Wissenschaftler anderer Proteine an: solcher, die sich potenziell an SOD1-Trimer binden.
Dafür versahen sie Gehirn-, Rückenmark- und Muskelgewebe von Mäusen mit SOD1-Trimeren und beobachteten, welche Proteine sich an diese heften würden. Anschliessend verglichen sie diese später mit den Bindungspartnern von SOD1-Dimeren.
Die Forscher stellten fest: Je nach Gewebetyp interagieren die SOD1-Trimer mit unterschiedlichen Proteinen.
Jedem Zelltyp das Seine
In Gehirn- und Rückenmarksgewebe binden sie sich an Proteine, die für den Erhalt der Neuronenstruktur verantwortlich sind. In Muskelgewebe hingegen beeinflussen sie Stoffwechselprozesse direkt.
Je nach Zelltyp könnte es also unterschiedliche Mechanismen geben, die zu Zellfunktionsstörungen und -tod führen.
Neue Hoffnung auf Behandlung?
Dieser Fund stellt das traditionelle Verständnis infrage, dass Muskelschwund bei ALS nur eine sekundäre Folge der Degeneration von Motoneuronen ist: Können diese Neuronen nicht normal funktionieren, werden Muskelzellen nicht stimuliert, was zu Muskelatrophie führen kann, so die Annahme.
Die Studie jedoch legt nahe, dass es möglicherweise auch innerhalb von Muskelzellen selbst Prozesse gibt, die durch SOD1-Trimere gestört werden. Das könnte Funktionsstörungen und den Tod von Muskelzellen zur Folge haben und so zum Muskelschwund und zum Absterben von Neuronen beitragen.
Dies wirft die Frage auf, ob eine gezielte Behandlung dieser Interaktion den Verlauf von ALS verlangsamen oder stören könnte – ein vielversprechender Ansatzpunkt für zukünftige Untersuchungen.