Chronische Schmerzen: eine Erbsache?
Viele Menschen leiden unter chronischen Schmerzen. Doch was sind die häufigsten Krankheitsbilder? Wie entstehen die Schmerzen und – sind sie gar vererbbar?
Trotz der hohen Anzahl von Betroffenen weltweit wurden chronische Schmerzen erst vor kurzem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit anerkannt. Früher wurden sie lediglich als Symptom eingestuft.
Was sind chronische Schmerzen?
Zum besseren Verständnis: Stellen Sie sich vor, Sie haben sich beim Gemüseschneiden in den Finger geschnitten oder eine heisse Herdplatte berührt. Der dabei entstandene akute Schmerz ist eine Warnung Ihres Nervensystems.
Menschen mit chronischen Schmerzen erleben jedoch ein fehlerhaftes Funktionieren ebendieses Nervensystems. Die Schmerzsignale sind ständig aktiv – der Schmerz hält an; typischerweise über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten. Diese andauernde Belastung und Einschränkung hat negative Auswirkungen auf die Lebensqualität.
Chronische Schmerzen können in zwei Haupttypen eingeteilt werden: primäre und sekundäre.
Primärer chronischer Schmerz tritt auf, wenn Schmerzen einen ansonsten gesunden Körper betreffen und keine identifizierbare Ursache haben. Sekundärer chronischer Schmerz kann durch Krebsbehandlungen, Operationen oder Erkrankungen, wie beispielsweise rheumatoide Arthritis, verursacht werden.
Chronische Schmerzen können in vielen verschiedenen Formen auftreten. Die häufigsten sind Fibromyalgie, akute Rückenschmerzen und Migräne.
Fibromyalgie: der grossflächige Schmerz
Diese chronische Schmerzerkrankung betrifft bis zu 5 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Sie verursacht weit verbreitete Körperschmerzen.
Alle Körperregionen, oft auch verschiedene gleichzeitig, können betroffen sein. Besonders Hinterkopf, Ellbogen, Knie, Hüfte, Schultern und die obere Brust sind betroffen. Zusätzlich treten Symptome wie Müdigkeit und kaum erholsamer Schlaf auf.
Die Forschung zeigt, dass Menschen mit nahen Verwandten mit Fibromyalgie ein höheres Risiko haben, ebenfalls daran zu erkranken. Es gibt jedoch auch andere Auslöser wie traumatische physische oder emotionale Ereignisse oder wiederholte Verletzungen.
Wenn selbst Licht schmerzt
Mehr als nur Kopfschmerz: Migräne. Diese chronische Erkrankung äussert sich durch Kopfschmerzen sowie Lichtempfindlichkeit und Erschöpfungszustände. Migräne entsteht aufgrund abnormaler Gehirnaktivität, die Nervensignale sowie Blutgefässe im Gehirn beeinflusst.
Wissenschaftler vermuten einen genetischen Zusammenhang bei Migräne. Tatsächlich haben Studien bestätigt, dass einige seltene Arten von Migräne durch Mutationen in bestimmten Genen verursacht werden.
Akute Rückenschmerzen, die nicht mehr aufhören
Diese Art von chronischem Schmerz dauert in der Regel zwölf Wochen oder länger an. Sie äussert sich durch Schmerzen, die von den Gesässmuskeln oder Hüften ausgehen und Beine, Füsse und Rücken betreffen.
Zwillingsstudien unterstützen die Hypothese, dass es sich um eine erbliche Form von chronischen Schmerzen handelt.
Rheumatoide Arthritis – eine schmerzhafte Autoimmunerkrankung
Obwohl sie keine primäre Form von chronischem Schmerz ist, steht rheumatoide Arthritis eng mit chronischen Schmerzen in Verbindung. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung, bei der das Immunsystem gesundes Gewebe rund um die Gelenke angreift. Die dadurch verursachten Entzündungen führen zu Schmerzen, Schwellungen und Steifheit.
Die Forschung belegt, dass dieses Leiden in Familien gehäuft auftritt. Bestimmte genetische Marker wurden als mit rheumatoider Arthritis im Zusammenhang stehend identifiziert.
Genetische Belastung einerseits, Lebensstil andererseits
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ja, chronische Schmerzen können erblich sein. Bei verschiedenen Formen von chronischen Schmerzen konnte nachgewiesen werden, dass ein genetischer Zusammenhang besteht.
Dennoch spielen Umweltfaktoren oft eine bedeutende Rolle bei der Auslösung von chronischen Schmerzen oder dem Ausbruch einer Krankheit. Chronische Schmerzerkrankungen können also jederzeit zuschlagen.
Wie bei allen anderen Erkrankungen gilt daher: Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig. So können passende Behandlungsmethoden ausgewählt und der individuelle Lebensstil angepasst werden.