Hilft Ibuprofen gegen Depressionen?

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Ibuprofen kann mehr als nur Kopfschmerzen lindern: Neue Studien zeigen überraschende antidepressive Wirkungen des beliebten Schmerzmittels.

frau nimmt schmerzmittel
Bei etwa einem Drittel der Menschen mit Depressionen sind erhöhte Entzündungsmarker nachweisbar. Hier könnte Ibuprofen helfen. - Depositphotos

Du greifst zur Ibuprofen-Packung, weil dein Kopf brummt – aber was, wenn diese kleine Tablette gleichzeitig deine Stimmung aufhellen könnte? Forscher entdecken gerade eine völlig unerwartete Nebenwirkung dieses als Schmerzmittels bekannten Medikaments: Ibuprofen könnte tatsächlich gegen Depressionen helfen.

Die überraschende Entdeckung der Wissenschaft

Eine grossangelegte Analyse von 26 Studien mit 1610 Teilnehmern zeigte: Entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen erwiesen sich bei der Reduzierung von Depressionssymptomen um 52 Prozent wirksamer als ein Placebo.

Menschen, die regelmässig Ibuprofen einnahmen, mussten seltener wegen psychiatrischer Probleme ins Krankenhaus. Bei Frauen mit hohem Risiko für postpartale Depressionen minderte Ibuprofen sogar die Wahrscheinlichkeit, drei Wochen nach der Geburt an einer Wochenbettdepression zu erkranken.

Der Entzündungs-Stimmungs-Zusammenhang

Dein Körper ist ein komplexes Netzwerk, in dem Entzündungen und Stimmung enger verknüpft sind, als du vielleicht denkst. Wissenschaftler haben entdeckt, dass chronische, niedriggradige Entzündungen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen können.

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Eine Depression gleicht einer dunklen Wolke über dem Kopf, der man scheint's nicht entgehen kann. - Depositphotos

Wenn dein Immunsystem dauerhaft aktiviert ist, produziert es Botenstoffe, sogenannte Zytokine, die direkt auf dein Gehirn einwirken und dort Veränderungen, das heisst: Entzündungen auslösen können. Diese Entzündungsprozesse beeinflussen mehrere wichtige Bereiche deines Gehirns gleichzeitig: Sie stören die Produktion von Serotonin und anderen Neurotransmittern, die für deine Stimmung verantwortlich sind.

Gleichzeitig aktivieren sie die Stressachse deines Körpers. Und: Sie können die Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus hemmen, in jener Gehirnregion, die für Lernen und Gedächtnis wichtig ist. Menschen mit Depressionen zeigen erhöhte Werte bestimmter Entzündungsmarker wie Interleukin-6 und TNF-α im Blut, auch wenn sie körperlich gesund sind.

Wie Ibuprofen ins Spiel kommt

Ibuprofen gehört zur Gruppe der sogenannten NSAIDs (nicht-steroidale Antirheumatika) und blockiert Enzyme, die Entzündungen fördern. Aber seine Wirkung auf die Psyche geht möglicherweise über diese einfache Entzündungshemmung hinaus.

Neueste Forschungen legen nahe, dass Ibuprofen auch den Kynurenin-Stoffwechsel beeinflusst – einen biochemischen Weg, der eng mit der Stimmungsregulation verknüpft ist. Tierversuche wiederum haben bereits gezeigt, dass Ibuprofen bei Ratten depressionsähnliche Verhaltensweisen, die durch chronischen Stress ausgelöst wurden, verhindern oder rückgängig machen kann.

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Ibuprofen könnte in Kombination mit Antidepressiva die psychische Gesundheit verbessern. - Depositphotos

Das Medikament erhöht die Produktion von BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor), einem Protein, das das Wachstum und Überleben von Nervenzellen fördert. In Kombination mit dem Antidepressivum Escitalopram verstärkte Ibuprofen sogar dessen positive Effekte auf das Gehirn.

Was das für dich bedeutet

Bevor du jetzt beim nächsten Stimmungstief zur Ibuprofen-Packung greifst, solltest du wissen: Diese Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Die meisten Studien wurden an Tieren durchgeführt oder umfassten nur kleine Patientengruppen.

Ausserdem variieren die Ergebnisse je nach Art der Depression und individuellen Faktoren erheblich. Eine Langzeiteinnahme von Schmerzmitteln kann zudem ernsthafte Nebenwirkungen haben, von Magenproblemen bis hin zu Herz-Kreislauf-Risiken.

neurologe, gehirn
Greif nicht einfach zu Schmerzmitteln: Die Behandlung deiner Depressionen sollte ärztlich überwacht werden. - Depositphotos

Trotzdem eröffnen diese Erkenntnisse völlig neue Perspektiven für die Behandlung von Depressionen. Möglicherweise werden Ärzte in Zukunft routinemässig Entzündungsmarker bei Depressionspatienten messen und gezielt entzündungshemmende Therapien einsetzen.

Einige Forscher arbeiten bereits an der Entwicklung neuer Medikamente, die die gleichen entzündungshemmenden Wege wie Ibuprofen nutzen, aber spezifischer auf das Gehirn wirken und weniger Nebenwirkungen haben. Bis dahin bleibt die wichtigste Botschaft: Sprich mit deinem Arzt, bevor du Medikamente für andere Zwecke als vorgesehen einsetzt.

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