Therapeut wider Willen? So ziehen Sie Grenzen
Es ist eine Sache, einem Freund oder Familienmitglied zuzuhören. Als Therapeut zu fungieren, ist jedoch eine ganz andere. So gehen Sie mit der Situation um.
Vielen wird dieses alltägliche Phänomen bekannt vorkommen: Sie müssen für ihre Freunde, ein Paar oder Ihre Eltern als Therapeut herhalten, während jeder über den anderen herzieht.
Oder womöglich hat Ihnen schon einmal jemand ungefragt bei einer Tasse Kaffee seine gesamte Lebensgeschichte erzählt. In unserer schnelllebigen Welt teilen viele ihre Probleme mit anderen, anstatt den Stress zum Beispiel mit Achtsamkeitsübungen zu reduzieren.
Doch es gibt eine feine Linie zwischen Unterstützung und der Rolle eines inoffiziellen Therapeuten.
Wenn Zuhören zur Last wird
Ein offenes Ohr zu haben, kann mental und emotional anstrengend sein, besonders wenn man nichts erwidern kann. Wenn Sie sich zudem in einer hitzigen Diskussion zwischen nahestehenden Personen wiederfinden, endet das oft hässlich.
Diese Gefahr besteht vor allem, wenn Sie den Wunsch nach Parteinahme verspüren, wodurch Beziehungen tatsächlich zerbrechen können.
Dass Menschen sich Ihnen öffnen, ist ein Kompliment und zeigt, dass Sie vertrauenswürdig sind, aktiv zuhören und freundlich sind. Aber selbst Ihre engsten Vertrauten können die Grenzen dessen überschreiten, was angemessen ist – ohne Rücksicht auf Ihre Gefühle.
So können Sie Grenzen setzen
Dr. Elena Touroni, Beratungspsychologin und Mitbegründerin der Chelsea Psychology Clinic, erklärt, wie Sie für sich selbst einstehen können. Zunächst sollten Sie darauf achten, wann Sie sich gestresst oder frustriert fühlen, nachdem Sie mit jemandem gesprochen haben.
Oftmals sind dies laut Touroni die Warnsignale dafür, dass Sie eine Grenze setzen müssen. Das kann schwierig sein, weil wir uns sorgen, zu hart zu sein.
Dennoch ist es wichtig, bestimmt und doch freundlich auszudrücken, wie Sie sich fühlen. Offene und ehrliche Kommunikation sind der Schlüssel beim Setzen von Grenzen gegenüber Personen, die Sie wie einen Therapeuten behandeln.
Machen Sie klare Ansagen
Sie sollten in Ihrer Kommunikation direkt und klar sein, während Sie zugleich die Gefühle Ihres Gegenübers respektieren, empfiehlt Dr. Touroni.
Zum Beispiel könnten Sie etwas sagen wie: «Ich verstehe das vollkommen und möchte für dich da sein, aber habe gerade nicht die emotionale Kapazität dazu.»
Nutzen Sie «Ich fühle»- oder «Ich denke»- anstatt von «Du tust dies»-Aussagen. Damit können Sie Ihre Emotionen ausdrücken, ohne beschuldigend zu klingen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Wenn Menschen Sie als Therapeuten brauchen, sollten Sie ihnen dabei helfen, andere Unterstützungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Schlagen Sie professionelle Therapeuten oder Berater vor, die spezialisierte Hilfe bieten können. Ermutigen Sie Ihre Mitmenschen überdies, Supportgruppen oder Online-Communitys beizutreten, um sich mit Personen in ähnlichen Situationen verbinden zu können.
Ihre Grenzen kennen
Das Setzen von Grenzen ist ein fortlaufender Prozess. Es ist wichtig, diese Grenzen in Ihren Beziehungen konsequent zu verstärken.
Seien Sie bestimmt, aber mitfühlend und erinnern Sie andere an Ihre Grenzen. Setzen Sie ausserdem Selbstfürsorge an erste Stelle, um Ihr eigenes emotionales Wohlbefinden zu bewahren.
Grenzen zu ziehen, wenn Menschen Sie wie einen Therapeuten behandeln, ist ein notwendiger Schritt zur Aufrechterhaltung gesunder Beziehungen. Nur wenn Sie Ihre eigenen Grenzen erkennen und kommunizieren, alternative Lösungen vorschlagen und auf Selbstpflege achten, können Sie anderen helfen.