Blasenekstrophie: Was Eltern wissen müssen
Die Blasenekstrophie ist eine seltene, aber behandelbare Erkrankung, die während der Schwangerschaft auftreten kann. Wir verraten, was dahintersteckt.

Stellen Sie sich vor, Ihr Kind kommt mit einer seltenen Erkrankung zur Welt, die Ihr Leben auf den Kopf stellt. Die Diagnose Blasenekstrophie bringt viele Fragen und Ängste mit sich.
Sie fühlen sich vielleicht überwältigt, unsicher und suchen verzweifelt nach Antworten. Doch Sie sind nicht allein – und es gibt Wege, diese Herausforderung gemeinsam zu meistern.
Ihr Kind verdient die beste Unterstützung, und Sie können ihm diese geben. Wir erklären Ihnen, was es mit Blasenekstrophie auf sich hat und welche Massnahmen Sie zugunsten Ihres Kindes ergreifen können.
Was ist eine Blasenekstrophie?
Blasenekstrophie ist eine seltene angeborene Fehlbildung, bei der die Harnblase und die vordere Bauchwand nicht vollständig ausgebildet sind. Die Blase liegt offen und ist direkt sichtbar.

Als Ursache der Blasenekstrophie fungiert eine Störung der Embryonalentwicklung, bei der die Kloakenmembran vorzeitig reisst. Genetische und Umweltfaktoren spielen dabei eine Rolle.
Diese Symptome sind möglich
Häufig treten Infektionen der Blase und Hautirritationen durch Urin auf. Zusätzlich sind Fehlbildungen des Beckens und der Bauchwand typisch, begleitet von Leistenbrüchen und einer verkürzten Harnröhre.
Die Störung der Blasenfunktion hat Harninkontinenz und Nierenproblemen zur Folge. Unbehandelt entstehen chronische Schmerzen, Potenzstörungen und seelische Beschwerden wie soziale Ängste oder Depressionen.
Orthopädische Probleme wie ein auffälliger Gang durch Beckenfehlstellungen sowie sexuelle Dysfunktion sind ebenfalls möglich.
Frühzeitige Diagnose hilft Familien
Die Diagnose einer Blasenekstrophie kann bereits während der Schwangerschaft oder nach der Geburt erfolgen. Pränatal wird sie meist durch Ultraschall erkannt, wenn die Blase trotz normaler Fruchtwassermenge nicht sichtbar ist.

Nach der Geburt erfolgt die Diagnose durch eine Blickdiagnose, da die typischen körperlichen Merkmale wie eine offene Blasenplatte und ein fehlender Verschluss der Bauchwand sofort erkennbar sind. Ergänzend werden bildgebende Verfahren wie Ultraschall eingesetzt, um das Ausmass der Fehlbildung und mögliche Begleiterkrankungen zu beurteilen.
Während die pränatale Diagnose Ihnen und dem medizinischen Team Zeit zur Vorbereitung gibt, erfordert die nachgeburtliche Diagnose sofortiges Handeln. Ihr Kind sollte umgehend in ein spezialisiertes Krankenhaus gebracht werden, um eine operative Versorgung einzuleiten.
So gehen Sie als Elternteil mit der Diagnose um
Leidet ihr Kind an der seltenen Erkrankung, sollten Sie frühzeitig spezialisierte medizinische Zentren aufsuchen mit dem Ziel, eine umfassende Diagnostik und individuelle Behandlungsplanung zu erhalten. Eine interdisziplinäre Betreuung ist essenziell für eine erfolgreiche Therapie und langfristige Versorgung Ihres Kindes.
Der Austausch mit Selbsthilfegruppen wie der Blasenekstrophie/Epispadie e.V. bietet wertvolle Unterstützung und Informationen zum Alltag mit der Erkrankung. Offene Gespräche über die Besonderheiten des Kindes fördern soziale Integration und psychisches Wohlbefinden.

Achten Sie auch auf die Erfahrung des Operationsteams, da die chirurgischen Eingriffe komplex sind und oft in mehreren Schritten erfolgen. Informieren Sie sich über mögliche Folgeoperationen und langfristige Nachsorge.
Operation bringt Hoffnung
Kinder mit Blasenekstrophie sind vollständig inkontinent – sie haben also keine Kontrolle über ihren Urinfluss. Daher ist eine operative Intervention, bei der die offene Blase verschlossen und die Bauchwand wiederhergestellt wird, erforderlich.
In weiteren Operationen wird der Blasenhals rekonstruiert, um Harnkontinenz zu ermöglichen. Zusätzlich erfolgt eine Korrektur der Harnröhre und gegebenenfalls des äusseren Genitals.
Trocken bis zur Grundschule
Trocken bis zur Grundschule: Dies ist kein blosses Ziel, sondern Realität für die meisten mit dieser Methode behandelten Patienten. Einige Jungen könnten eine zusätzliche Operation benötigen, bei der die Harnröhre an die Spitze des Penis verlegt wird.
Mädchen könnten in der Pubertät eine operative Anpassung ihrer Vaginalöffnung benötigen. Für jene Patienten, bei denen nach der Erstbehandlung keine Kontinenz erreicht werden konnte, steht ein konventioneller operativer Eingriff zur Verfügung, um sie «trocken» zu machen.

Die anschliessende Betreuung stellt sicher, dass sich Blase, Nieren und Genitalien gesund entwickeln und funktionieren.
Neue Ära in der Behandlung von Blasenekstrophie
Neue Behandlungsmöglichkeiten für die Blasenekstrophie umfassen innovative chirurgische Techniken und regenerative Therapien. Die S3-Leitlinie bietet erstmals evidenzbasierte Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge, um Behandlungsstandards zu optimieren.
In den USA und Deutschland wird eine Stammzelltherapie erforscht, bei der Muskelstammzellen zur Rekonstruktion des Schliessmuskels eingesetzt werden. Klinische Studien zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse bei der Verbesserung der Inkontinenz.
Zusätzlich werden chirurgische Verfahren wie der «Modern Staged Repair» oder die «Complete Primary Repair» weiterentwickelt. Diese Ansätze zielen auf eine verbesserte Funktionalität und Ästhetik bei Betroffenen ab.
Ein selbstbestimmtes Leben ist möglich
Kinder, die aufgrund einer Blasenekstrophie operiert wurden, müssen langfristig auf eine gute Blasen- und Nierenfunktion achten. Regelmässige ärztliche Kontrollen sind entscheidend, um Komplikationen wie Harnwegsinfektionen, Karzinome oder vesikoureteralen Reflux frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Im Alltag ist eine sorgfältige Hygiene wichtig, um Infektionen vorzubeugen.