Agitation: Wenn die innere Unruhe das Leben übernimmt

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Die Welt der Angst ist komplex und vielschichtig. Eine bestimmte Form ist die Agitation: innere Unruhe, die sich durch hastige und ziellose Bewegungen äussert.

Frau Angst
Es gibt verschiedene Formen der Angst. Eine davon ist die Agitation. - Depositphotos

Sie kennen das Gefühl: Ihr Herz rast, Sie können nicht stillsitzen, und ein Gefühl der völligen Überforderung macht sich breit. Was Sie erleben, ist mehr als nur Stress oder Nervosität – es könnte Agitation sein, auch als «Agitiertheit» bekannt, ein Zustand, der Ihr Leben komplett aus den Fugen geraten lassen kann.

Nicht mehr wie sich selbst fühlen

Agitation ist weit mehr als gewöhnliche Angst oder Unruhe, sondern ein veränderter Bewusstseinszustand, in dem Sie sich nicht mehr wie Sie selbst fühlen. Die Konzentration schwindet, der Appetit vergeht, und Sie können Ihre Aufmerksamkeit nicht mehr produktiv fokussieren.

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Agitation kann jeden treffen. - Depositphotos

Oft fällt Ihnen das Stillsitzen schwer und Sie verspüren ein zittriges Gefühl im ganzen Körper. Sie wandern umher und wechseln von einer Aktivität zur anderen, auf der Suche nach Erleichterung.

Diese innere Unruhe ist nicht einfach nur ein schlechter Tag – Sie sind Opfer eines medizinischen Zustands, der professionelle Hilfe erfordert. Experten unterscheiden folgende drei Erscheinungsformen.

Die drei Gesichter der «Angst»

Angst durch beängstigende Gedanken umfasst generalisierte, phobische oder zwanghafte Ängste. Sie wissen, worüber Sie sich Sorgen machen, auch wenn Sie wünschten, Sie könnten damit aufhören.

Panikattacken hingegen werden durch die Angst vor harmlosen Körperempfindungen ausgelöst. Man könnte auch von einer Reaktion vom Typ «falscher Alarm» des körpereigenen Notfallsystems mit plötzlich auftretender hoher Erregung sprechen.

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Panikattacken dauern nur wenige Minuten und klingen von selbst ab. - Depositphotos

Etwas völlig anderes als Angst oder Panikattacken tritt bei Agitation auf: nämlich nicht eine Angst «vor» etwas – sondern ein veränderter Seinszustand. Sie sind mit dem Gefühl beschäftigt, krank oder nicht Sie selbst zu sein, und können normale tägliche Aktivitäten nicht ausführen.

Wenn der Körper rebelliert

Bei Agitation fokussieren Sie sich auf Gedanken wie «Ich werde mich nie wieder gut fühlen» oder «Was passiert mit mir?». Sie scheinen innerlich zusammengebrochen bis zerstört, erleben einen Kontrollverlust, machen eine verwirrende Transformation durch.

Oft wird Agitation als ein Symptom einer Stimmungsstörung wie Depression oder bipolarer Störung diagnostiziert. Jedoch kann sie auch durch Krankheiten, Medikamentenreaktionen oder andere biologische Ursachen verursacht werden.

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Neuroleptika, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie bestimmte Psychostimulanzien können Agitation auslösen. - Depositphotos

Manchmal ist das Phänomen bereits nach wenigen Stunden vorbei, in anderen Fällen kann es bis zu mehreren Wochen andauern. Selbst Schlaf ist nicht erholsam, Betroffene schlafen zu wenig oder zu viel und wachen in der Regel auch schon früh am Morgen auf.

Behandlungswege und Hoffnung

Bei leichten Formen der Agitation stehen Massnahmen der verbalen Deeskalation und Reizreduktion im Vordergrund. Schwere Ausprägungen können medikamentöse Interventionen oder in extremen Fällen Zwangsmassnahmen als letztes Mittel erfordern.

Eine ideale pharmakologische Behandlung sollte beruhigend wirken, ohne übermässig zu sedieren. Orale oder inhalative Verabreichung von Antipsychotika wird einer intramuskulären Gabe vorgezogen.

Die Behandlung zielt darauf ab, die zugrundeliegenden Stimmungsstörungen zu adressieren, die oft die Ursache der Agitation sind. Professionelle Hilfe ist unerlässlich, da Agitation selten auf Selbsthilfe und Unterstützung allein anspricht.

Leben mit Agitation: Praktische Strategien

Wenn Sie oder ein Angehöriger von Agitation betroffen sind, helfen folgende Empfehlungen, um trotz allem den Alltag gut zu bewältigen. Reizreduktion ist ein wichtiger erster Schritt: Schaffen Sie eine ruhige Umgebung, minimieren Sie visuelle und akustische Störungen, und nutzen Sie Techniken wie Noise-Cancelling-Kopfhörer.

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Versuchen Sie, sich von störenden Reizen abzuschirmen. - Depositphotos

Kleine Bewegungseinheiten wie Spaziergänge, Dehnübungen oder das Spielen mit einem Stressball können die innere Unruhe kanalisieren. Der Körper muss nicht ruhig sein, damit der Kopf klarer wird.

Visualisierung kann effektiver sein für die agitationsgeplagten Gedanken als herkömmliche Planungsmethoden: Nutzen Sie Mindmaps, bunte Post-its oder farbige Zeitpläne statt reiner Textlisten. Je konkreter und sichtbarer die Struktur ist, desto wahrscheinlicher wird sie genutzt.

Selbsthilfestrategien für Betroffene

Achtsamkeit und Meditation schaffen ein gutes Fundament, auch wenn sie allein nicht die tieferliegenden Ursachen beseitigen. Doch helfen sie Ihnen dabei, ruhiger und klarer zu denken.

Während tiefes, bewusstes Atmen das Nervensystem beruhigen kann, können Atemübungen bei sehr ängstlichen Menschen allerdings auch kontraproduktiv wirken. Experimentieren Sie vorsichtig und brechen Sie ab, wenn sich die Symptome verschlechtern.

Führen Sie ein Agitations-Tagebuch, um Muster und Auslöser zu identifizieren. Notieren Sie Situationen, die Agitation verstärken oder lindern, sowie körperliche und emotionale Reaktionen.

Der Umgang mit Angehörigen

Für Angehörige ist es wichtig zu verstehen, dass Agitation nicht einfach «schlechte Laune» oder mangelnde Willenskraft ist. Vermeiden Sie es, die betroffene Person zu drängen oder zu kritisieren.

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Eine Psychotherapie empfiehlt sich auch für Angehörige. - Depositphotos

Bieten Sie praktische Hilfe an, ohne die Autonomie der Person zu untergraben. Ermutigen Sie professionelle Hilfe zu suchen, aber zwingen Sie niemanden dazu.

Selbstfürsorge für Angehörige ist ebenso wichtig. Suchen Sie sich Unterstützung durch Selbsthilfegruppen oder professionelle Beratung, um mit der Belastung umzugehen, die die Betreuung einer Person mit Agitation mit sich bringt.

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