Perfektionismus und die Angst, andere um Hilfe zu bitten

Kiran Iqbal
Kiran Iqbal

Perfektionisten scheuen sich oft, um Hilfe zu bitten, sind sich jedoch häufig nicht bewusst darüber, warum. Was steckt hinter dieser Angst?

Frau hält sich die Augen zu und signalisiert mit einer Hand eine ablehnende Geste
Perfektionisten tun sich oft schwer damit, andere um Hilfe zu bitten. - Depositphotos

Perfektionismus ist mehr als der Wunsch nach makellosen Leistungen. Er ist eine tief verwurzelte kognitive Struktur, die uns vor dem Bewusstsein unserer Schwächen schützt.

Oft geht er mit einer starken Angst einher: der Angst, auf andere angewiesen zu sein.

Die Furcht vor Verletzlichkeit

Das Bitten um Hilfe setzt voraus, dass wir unsere Bedürfnisse eingestehen – und damit auch unsere Verwundbarkeit. In Beziehungen führt dies häufig zu Konflikten, insbesondere wenn ein Partner vom anderen erwartet, seine Bedürfnisse intuitiv zu erkennen.

Streitendes Paar
In Beziehungen führt die Angst, sich verletzlich zu machen, häufig zu Konflikten. - Depositphotos

Wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, entstehen Frustration und Vorwürfe: «Ich sollte nicht darum bitten müssen – du solltest es einfach wissen!» Diese Enttäuschung wird bei Perfektionisten oft noch verstärkt, da sie ihre wahren Bedürfnisse und Schwächen hinter einer Fassade der Selbstgenügsamkeit verbergen.

Sie wollen nicht als verletzlich erscheinen, und das Bitten um Hilfe rüttelt an dieser Fassade. Sobald sie gezwungen sind, Unterstützung einzufordern, geraten ihre vermeintliche Stärke und die Kontrolle über die Situation ins Wanken.

Warum Perfektionisten keine Hilfe annehmen wollen

Zorn statt Scham: Perfektionisten empfinden es als Niederlage, auf andere angewiesen zu sein. Das Bitten um Hilfe konfrontiert sie mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit – ein Gefühl, das sie oft nach aussen projizieren.

Statt sich selbst als schwach zu empfinden, reagieren sie mit Ärger auf andere: «Es geht nicht darum, dass ich mich schwach fühle – es geht darum, dass du rücksichtslos bist!»

Nachdenklicher Mann auf einem Bett
Um Hilfe zu bitten, verbinden viele Perfektionisten mit einem tiefen Schamgefühl. - Depositphotos

Falscher Erwartungsdruck: Zudem setzen sich Perfektionisten oft unter extremen Druck – und gehen davon aus, dass andere dieselben Erwartungen an sie haben. Die Vorstellung, als «schwach» wahrgenommen zu werden, verstärkt die Angst, zurückgewiesen oder verlassen zu werden.

Die Angst vor Ablehnung und Machtverlust

Furcht vor Zurückweisung: Eine Absage wird von Perfektionisten nicht einfach als eine neutrale Entscheidung des anderen wahrgenommen, sondern als persönlicher Affront: «Er sagt nicht einfach ‹Nein› – er hält mich für unwürdig.»

Sorge um Kontrollverlust: Hilfe anzunehmen bedeutet für viele Perfektionisten, in ein «Schuldverhältnis» zu geraten. Sie fürchten unbewusst, dadurch ihre Unabhängigkeit oder ihren Einfluss zu verlieren.

Ein typischer Gedanke: «Wenn ich jetzt auf dich angewiesen bin – was werde ich dir später schuldig sein?»

Die Bedeutung von Geben und Nehmen

Hilfe anzunehmen und zu geben ist ein zentraler Bestandteil gesunder Beziehungen, da es Verlässlichkeit schafft und die Bindung vertieft. Erkennen Sie, dass das Bitten um Unterstützung eine Stärke darstellt, die Offenheit und gegenseitiges Verständnis fördert.

Frau hört Mann zu
Wer offen um Unterstützung bittet, schafft es häufig, Beziehungen zu vertiefen. - Depositphotos

Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass Unabhängigkeit immer Vorrang hat, und entdecken Sie, dass wahre Nähe durch gegenseitige Hilfe entsteht. Überwinden Sie so die Angst vor Ablehnung oder Kontrollverlust.

Wenn Sie auch in kleinen Momenten um Hilfe bitten, werden Sie feststellen, dass dies das Miteinander stärkt und tiefere Verbindungen ermöglicht. Schätzen Sie das Geben und Nehmen als gleichwertige Säulen, die Ihre Beziehungen bereichern.

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