Globale Epidemie – sind wir 2050 übergewichtig?

Anne Stickel
Anne Stickel

Im Jahr 2050 sind mehr als 50 Prozent aller erwachsenen Menschen und ein Drittel der Kinder weltweit übergewichtig, so eine Studie. Doch das muss nicht sein.

Familie Feld Landwirtschaft Adipositas
Bis zum Jahr 2050 würden mehr als die Hälfte aller Erwachsenen und etwa ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder fettleibig sein, so die Prognose einer im «Lancet» veröffentlichten Studie. (Symbolbild) - Depositphotos

Sie achten genau darauf, was bei Ihrem Kind auf dem Teller kommt? Der sichtbare Fettansatz am Bauch Ihres Kleinen beschert Ihnen manchmal Albträume? Diese Sorge könnte noch belastender für Sie werden.

Denn: Das renommierte Fachmagazin «The Lancet» publizierte Anfang dieses Jahres zwei Studien, die Prognosen zur Entwicklung von Übergewicht und Fettleibigkeit weltweit machen. Und nicht nur haben sich die Übergewichts- und Fettleibigkeitsraten in allen Alltersgruppen in den letzten drei Jahrzehnten mehr als verdoppelt.

Sondern: Bis zum Jahr 2050 würden mehr als die Hälfte aller Erwachsenen und etwa ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder fettleibig sein. Doch: Das ist «nur» eine Prognose. Und wir sagen Ihnen, wie Sie und Ihr Kind gemeinsam zu einem gesunden Verhältnis zum Essen (zurück-)finden.

Fettleibigkeit: Herausforderung für Körper und Seele

Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) sind schon bei Kindern mit zahlreichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Dabei geht es nicht nur um den Hosenknopf, der trotz grösserer Grösse nicht mehr schliessen will, sondern um nachhaltige Folgen, die die körperliche und geistige Entwicklung Ihres Nachwuchses ernsthaft beeinträchtigen können.

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Bei Übergewicht geht es nicht nur um den Hosenknopf, der trotz grösserer Grösse nicht mehr schliessen will. (Symbolbild) - Depositphotos

Gemäss Definition der WHO ist Adipositas eine chronische und komplexe Erkrankung, die durch eine übermässige oder über das Normalmass hinausgehende Vermehrung des Körperfetts gekennzeichnet ist, welches die Gesundheit schädigen kann.

Die Gefahren der Adipositas

Körperlich erhöht Adipositas das Risiko für Typ-2-Diabetes bei Ihrem Nachwuchs, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Fettleber, Gelenkprobleme, Atembeschwerden einschliesslich Schlafapnoe sowie frühe Pubertätsstörungen.

Dazu kommen psychische Belastungen, weil es meisst zusätzlich zu mehr Kilos auch gesellschaftliche Stigmatisierung aushalten muss. Dass auch Social Media vor allem auf schlanke, sportliche Menschen in ihren Publikationen setzen, macht die Situation eben nicht einfacher.

Komplexes Zusammenspiel von Faktoren

In der Schweiz sind gemäss Daten des Adipositaszentrums Limmattal vom vergangenen Jahr etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und 3 Prozent von Adipositas betroffen. Den «einen» Grund für diese Gewichtszunahme gibt es nicht.

Die leitende Autorin der erwähnten Studie, Emmanuela Gadikou, beklagt öffentlich ein «monumentales gesellschaftliches Versagen» angesichts der «beispiellosen globalen Epidemie».

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Übergewicht ist meist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Die wenigsten sind medizinischer Natur. - Depositphotos

Tatsächlich entsteht Adipositas meist durch ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren der modernen Umwelt, wie zum Beispiel Ernährung mit hochverarbeiteten, energiedichten Lebensmitteln, grosse Portionsgrössen, Bewegungsmangel, Schlafmangel sowie psychosoziale Faktoren.

Kindergesundheit ist Familienangelegenheit

Als Eltern spielen Sie beim Kampf für die Gesundheit Ihres Kindes eine entscheidende Rolle. Die Gesundheit der Kinder wird von der Gesellschaft ständig auf die Probe gestellt – die Kräftigung für diese Auseinandersetzung jedoch beginnt zu Hause: am Esstisch und im Kopf.

In wenigen Worten: Ihr Ziel sollte darin bestehen, nicht nur den Snickers aus dem Schulranzen Ihres Kleinen zu entsorgen und in den Mülleimer zu schmeissen, sondern gemeinsam mit Ihrem Nachwuchs eine Kultur der positiven Beziehung zu Ihrem Körper und der Wirkung von Nahrungsmitteln zu entwickeln.

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Um leben zu können, müssen wir Nahrung zu uns nehmen. Das beginnt quasi mit unserem ersten Atemzug. (Symbolbild) - Depositphotos

Statt Ihre Kinder zu Schuldigen oder Opfern zu machen, sehen Sie das Thema Ernährung, ganz klassisch, als eine pragmatische und familiäre Angelegenheit der Lebenserhaltung.

«Connection» statt «Correction»

Um zu leben, müssen wir essen, und um gesund zu sein, brauchen wir bestimmte Nährstoffe, viele andere aber nicht: Wer mit diesen Gedanken im Kopf durch den Supermarkt schlendert, wird erstaunt sein, was bereits alles nicht mehr im Wagen landen sollte.

Denken formen ist denn auch eine Schlüsselaufgabe für den, der den Kampf gegen Medien und Gesellschaft langfristig gewinnen will. Das gilt besonders für Sie und Ihr Kind.

Anstatt ihm also nahezulegen: «Du musst dich gesünder ernähren», versuchen Sie es doch mal mit: «Jetzt finden wir mal Essen, dass deinen Kopf so stark macht, dass du die nächste Mathearbeit schaffst».

Müde oder gute Laune?

Konzentrieren Sie sich gemeinsam darauf, wie sich Essen und Gewohnheiten anfühlen, nicht wie sie aussehen. Sie könnten zum Beispiel sagen: «Hat dir dieser Snack Energie gegeben oder dich eher müde gemacht?» oder «Magst du das Essen nicht wegen seines Aussehens oder seines Geschmacks oder weil es dich vielleicht an etwas erinnert?»

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«Mit Essen spielt man nicht» – das haben Sie auch im Ohr? Wenn Sie durchs Spiel mehr Lust drauf bekommen, warum nicht? - Depositphotos

Unterstützen Sie Ihr Kind darin, seine eigenen Körpersignale wahrzunehmen, etwa Hunger, Müdigkeit oder gute Laune. Je besser das Gespür für sich selbst, desto wahrscheinlicher, dass es isst, was ihm guttut, und aufhört, wenn es genug hat.

Und versuchen Sie es mit «Wir»-Formulierungen. Also: «In dieser Woche konzentrieren wir uns mal darauf, dass jeder von uns wirklich zwei Liter Wasser pro Tag trinkt.»

Wie steht's mit Ihrer eigenen Beziehung zu Körper und Essen?

Da auch psychosoziale Faktoren mitspielen beim Thema Körper und Gewicht, sollten Sie als Eltern und Bezugspersonen Ihr eigenes Verhältnis zu Ihrem Körper prüfen, denn: Es ist absolut zwingend, dass Sie Ihrem Kind gegenüber ein positives Verhältnis zu Ihrem Körper zeigen und negative Kommentare über den eigenen Körper vermeiden.

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Kinder sind nicht selten die besten Lehrer für die eigenen Eltern. (Symbolbild) - Depositphotos

Nur durch Sie als Vorbild lernt Ihr Kind, auch seinen eigenen Körper wertzuschätzen und nicht zu kritisieren. Erleben Sie Gesundheit in Ihrer Familie als die Teamleistung, die es ist.

Prophezeiungen treffen oft nur dann ein, wenn wir ihren Warn-Charakter nicht verstehen oder sehen möchten. Nehmen Sie die Chance wahr, dieser Studienprognose «2050 ist die Hälfte der Welt übergewichtig» mit Ihrer Familie den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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