Was stundenlanges Binge-Watching bewirkt

Kiran Iqbal
Kiran Iqbal

Serien lassen uns leicht für Stunden abtauchen. Dennoch lohnt sich ein Blick darauf, wie viel Konsum unserem Wohlbefinden guttut.

Frau auf Sofa, Fernsehabend, Popcorn
Seit dem Aufkommen von Streamingdiensten hat sich viel verändert: Die sofortige Verfügbarkeit ganzer Staffeln macht es schwer, den eigenen Konsum zu bremsen. - Depositphotos

Kaum ist die Lieblingsserie gestartet, vergeht der Abend wie im Flug. Aus ein paar Folgen werden schnell mehrere Stunden – und manchmal zieht sich ein Marathon auch länger hin.

Bei allem Gute-Laune-Effekt hat «Binge-Watching» bedenkenswerte Folgen für die Gesundheit. Forscher warnen zunehmend davor, dass exzessives Fernsehen Schlaf, Herz und Psyche aus dem Gleichgewicht bringt.

Schlaf bleibt oft auf der Strecke

Eine Studie der Universität Gent mit über 400 jungen Erwachsenen deckt auf, dass regelmässiges Binge-Watching zu deutlich schlechterem Schlaf führt. Die Forscher sprechen von einer 98 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit für Schlafprobleme bei Dauerguckern gegenüber Gelegenheitszuschauern.

Mann, Fernbedienung
Mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen Bildschirme ausschalten – und lieber zu etwas Entspannendem wie Lesen greifen. Das fördert einen erholsameren Schlaf. - Depositphotos

Besonders problematisch: Ein Drittel der schlechtesten Schläfer machte den Serienkonsum direkt dafür verantwortlich. Nächtliche Serien-Sessions halten das Gehirn in Alarmbereitschaft, das Ein- und Durchschlafen fällt schwer.

Und nicht selten fehlt am nächsten Tag Energie für Job, Freunde, Sport oder sogar Essen.​

Auswirkungen auf Hirn und Stimmung

Wer stundenlang vor dem Bildschirm sitzt, belastet nicht nur Rücken und Kreislauf, sondern auch das Gehirn. Forschungen der University of Melbourne zeigen, dass Menschen über 50, die mehr als 3,5 Stunden pro Tag Serien oder Filme schauen, ihre kognitive Leistungsfähigkeit mindern.

Besonders betroffen ist das Erinnern gesprochener Informationen, nachdem längere Seriensitzungen die aktive Verarbeitung erschweren. Zudem fehlt die Zeit für Gehirntraining wie Lesen oder neue Fähigkeiten erlernen, was langfristig Hirnverbindungen schwächt.

Andere Forschungen weisen zudem auf eine gedrosselte Produktion von Myelin hin, einem wichtigen Stoff für die Reizleitung im Gehirn. Das kann die emotionale Stabilität beeinträchtigen und das Risiko für Depressionen und Angstzustände erhöhen.

Lebensstil und körperliche Folgen

Zwischendurch zum Kühlschrank, Chips vom Sofa aus – Binge-Watching und Ernährung gehen häufig Hand in Hand. Wer Serien am Stück schaut, bewegt sich nachweislich weniger und greift öfter zu süssen oder fettigen Snacks.

Popcorn, Fernsehabend, Frau
Kleine Pausen und ein Glas Wasser statt Chips und gezuckertem Popcorn helfen, den Körper zu entlasten. - Depositphotos

Die gesundheitlichen Konsequenzen reichen von Übergewicht und Diabetes bis hin zu erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Ernährungsmuster bleibt passiv und wird zunehmend von Reizen von aussen bestimmt.​

Zwischen Genuss und Gewohnheit: Reflexion hilft

Serien sollten kein Ersatz für echte Pausen, Bewegung oder Austausch sein. Wissenschaftler empfehlen denn auch keine Verbote, sondern ein Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten und Verhaltensmuster.

Zum Beispiel: Was brauche ich wirklich? Gibt es Alternativen nach einer Folge, die entspannen oder anregen, ohne dass der Bildschirm die Hauptrolle spielt?

Wer solche bewussten Momente der Achtsamkeit schafft, kann verhindern, dass Streaming zur gedankenlosen Routine wird. Erst so entsteht ein gesunder Ausgleich zwischen digitalem Genuss und echter Lebensqualität.

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