Der Zusammenhang zwischen Traumata und Angststörungen

Judith Heede
Judith Heede

Am 07.07.2024 - 06:28

Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass traumatische Erfahrungen das Stresssystem des Körpers überlasten und zu Angststörungen führen können.

Mann sitzt verzweifelt im Tunnel.
Angststörungen können einen sogenannten «Freeze»-Zustand Zustand verursachen, bei dem scheinbar nichts mehr geht. - Depositphotos

Laut Experten besteht eine direkte Verbindung zwischen traumatischen Erlebnissen und Angststörungen. Die Schrecken des Erlebten können das Gehirn in einen permanenten Alarmzustand versetzen, der sich langfristig negativ auf das Nervensystem auswirkt.

Traumatische Ereignisse überfordern unser Stresssystem und unsere psychische Widerstandsfähigkeit und machen – wenn unbehandelt –langfristig krank. Egal, ob Krieg, Naturkatastrophen, Missbrauch, Unfälle oder Situationen, in denen unser Wertesystem schlichtweg ignoriert und durcheinandergebracht wurde:

All dies kann tiefe Narben in unserer Seele hinterlassen und unser Leben nachhaltig beeinflussen.

Wenn die Seele sich spaltet

In der Psychologie spricht man von Abspaltung, wenn die traumatischen Erlebnisse so gravierend sind, dass die Psyche sie verdrängt. Dies ist ein automatischer Prozess und entspringt dem Überlebensinstinkt – es geschieht aus reinem Selbstschutz.

Die Erinnerungen und Emotionen werden also abgespalten und aus dem Bewusstsein verdrängt. Daher können sich viele Missbrauchsopfer und Unfallpatienten nicht an das eigentliche Geschehen erinnern.

Aber es muss nicht zwingend eine lebensbedrohliche Situation bestehen, um ein Trauma zu verursachen. Oftmals sind es wiederkehrende Bewertungen der Eltern oder Freunde oder die ständige Entwürdigung des Selbst, die traumatische Folgen haben.

Vom Trauma zur Angststörung

Nach einem traumatischen Vorfall – egal, wie offensichtlich – durchlaufen wir starke Emotionen wie Wut, Schuldgefühlen, Trauer und Verwirrung. Diese Gefühlsregungen hängen stark vom jeweiligen Erlebnis ab sowie davon, wie sehr und auf welche Art wir darin involviert waren.

Ist das Trauma zu massiv, um es überhaupt zu ertragen, schaltet das Gehirn die Gefühle notfalls ganz ab – in der Psychologie spricht man dann vom «Numbing». Gerade Kinder, die emotionale Traumata erleben, sind im späteren Leben emotional oft blockiert.

mädchen
Kinder können laut einer britischen Psychologin durch «Overparenting» wichtige Lebenskompetenzen verlieren. (Symbolbild) - Depositphotos

Sie können Traumata so schlecht verarbeiten, weil sie noch kein ausgebildetes Wertesystem haben und emotional von ihren Bezugspersonen abhängig sind. Aus der kindlichen Perspektive ist diese Verbindung lebensnotwendig und es ist gezwungen, den Werten der Bezugsperson zu entsprechen.

Wie entsteht aus einem Trauma eine Angststörung?

Langfristig führt die Unterdrückung der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu Persönlichkeits- und Angststörungen. Dieser Stresszustand greift auf die Dauer das Nervensystem an, das sich im permanenten «Fight, Flight oder Freeze» Zustand befindet.

Wer sich in diesem Zustand befindet, kann kaum etwas frei entscheiden, geschweige denn verändern. Dies kann sich bis zur körperlichen und geistigen Lähmung steigern; in diesem Fall ist psychologische Hilfe zwingend erforderlich.

Die Verbindung zwischen Trauma und Angst ist jedoch komplexer als eine einfache Ursache-Wirkungs-Beziehung. Ein Trauma kann verhindern, dass die Angst nachlässt, selbst Jahre später, wenn kein Grund mehr für die eigentliche Angst besteht.

Sind Angststörungen immer ein Fall von PTBS?

Zwar entwickelt nicht jeder Mensch nach einem traumatischen Erlebnis eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine andere Form der Angsterkrankung. Trotzdem führt chronische Angst infolge eines Traumas bei einem Teil der Betroffenen tatsächlich zu PTBS.

Infografik Organsysteme des menschlichen Körpers.
Heute weiss man, dass ungeheilte Trauma zu Angststörungen führen können, die das Nervensystem angreifen. - Depositphotos

Ärzte diagnostizieren diese Störungen erst dann als solche, wenn die Symptome hartnäckig sind und das alltägliche Leben stark beeinträchtigen. Dennoch können die Nachwirkungen von unbehandelten Traumata unser ganzes Leben negativ beeinflussen.

Sogenannte Trauma-Trigger versetzen unser Nervensystem in Schock. Dies passiert unerwartet und wenn wir in eine Situation geraten, die unser Unterbewusstsein mit dem ursprünglichen traumatischen Erlebnis verknüpft.

Anzeichen einer traumabedingten Angststörung

Die Ausprägungen von traumabedingter Angst variieren stark von Person zu Person. Sie reichen von mild bis schwerwiegend und nicht jeder Betroffene zeigt alle Symptome.

Aufgebrachte Frau sitzt auf dem Boden, Angststörung.
Wer lernt, seine Traumata zu integrieren, wächst an der Herausforderung. - Depositphotos

Beispiele für Symptome von traumabedingter Angst sind: Vermeidungsverhalten, Albträume oder Flashbacks, aufdringliche Erinnerungen, ständige Anspannung oder Hypervigilanz und Panikattacken.

Auch körperliche Beschwerden wie erhöhter Puls, Schwitzen oder Atemnot können auftreten. Viele Betroffene unterdrücken ihre alte Angst über Jahrzehnte hinweg, sodass sich der chronische Stress des Nervensystems in Krankheiten, Depression und anderen physischen und psychischen Problemen zeigt.

Wie geht man damit um?

Die Bewältigung eines Traumas ist der Schlüssel zur Behandlung von Angststörungen. Für die meisten Menschen lassen die Auswirkungen eines Traumas – wie eine gesteigerte Angst – mit der Zeit nach.

Wie lange das dauert, ist sehr individuell und kann Wochen, Monate oder sogar Jahre in Anspruch nehmen. Nicht jeder benötigt eine Behandlung für seine traumabedingte Angst, dennoch sollte niemand zögern, einen Fachmann zurate zu ziehen.

Psychologe und Patient bei der Therapie.
In der Therapie von Suchterkrankungen ist es entscheidend, das zugrunde liegende Trauma zu erkennen und zu behandeln. - Depositphotos

Bei anhaltenden Symptomen empfiehlt es sich dringend, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Therapie kann dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

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